Die Tanzkapelle St.Pauli im Landkreis gut bekannt - Musik ist ihr Hobby
Bruchköbel. - Die Tanzkapelle St,Pauli ist bei vielen Vereinen und Veranstaltungen im Landkreis zu einem festen Inventar geworden. Vor nunmehr 10 Jahren fanden sich in einem Hanauer Cafe´drei junge Leute zum Musizieren zusammen. Günter Schmidt, Akkordeon, Norbert Kleiss, Klarinette und Saxophon und damals Josef Merz, Schlagzeug. Bis 1960 spielten sie dort in dieser Besetzung.
Zuerst mußte sich die Combo regelrecht zusammenstottern. Günter kam erst durch den Ausfall des ersten Akkordeonisten hinzu. Er nahm den freien Platz freudig ein, denn bisher mußte er mit Rauschebärten zusammen spielen und sehnte sich nach Gleichaltrigen. So konnte pünktlich zum Fasching 1955 das Trio seine Arbeit antreten. Fünf Jahre lang machten die Drei dann pünktlich vom Silvesterabend bis Aschermittwoch in Hanau Musik.
Dann kamen im Landkreis die Kirchweihfeste und Familienveranstaltungen dazu. Transportmittel war am Anfang ein Fahrrad, auf dem man Instrumente und Leute zum Brennpunkt des Geschehens bringen mußte. Einmal ging es sogar bis Hainchen (Kreis Büdingen) mit dem Drahtesel!
1957 spielte man in der Rosenau, 3 Monate im Frühjahr, 3 Monate im Herbst. Günter zog 1959-60 den "bunten Rock" an, und man mußte einen Ersatzmann finden. Nach einem nochmaligen Einsatz im Cafe Launhardt ging es auf 18 Monate nach Dörnigheim ins "Weiße Roß". Bis Silvester 1962 spielte man dort im gleichen Saal. Das Verhältnis zum Wirt war ausgezeichnet. Aber 18 Monate lang die gleiche Tapete bewundern, wird dem geduldigsten Musiker zuviel. Und so spielte man sonntags auf Kirchweihfesten in Rüdigheim, Mittelbuchen, Nieder-Issigheim und Bruchköbel. Inzwischen war 1960 ein neuer Schlagzeuger hinzugekommen. Eberhard Schneider. Auch er hatte bisher mit Rauschebärten zusammen gespielt.
Um den zunehmenden Geschäften nachzukommen, die die Vereine an sie herantrugen, spielten sie ab 1962 nur noch für Vereine und private Veranstalter.
Was tun nun diese älteren Knaben, wenn sie ihre lustigen Matrosenanzüge nicht tragen? Günter ist Fernfahrer. Bis vor kurzem fuhr er den Leuten Tische, Stühle und Schränke spazieren. Jetzt will er auf Omnibus umsatteln und trainiert hierfür schon fleißig. Norbert ist kaufmännischer Angestelter in einem Bruchköbeler Kleinbetrieb. Er kann mit Zahlen ebensogut jonglieren wie mit Noten. Eberhardt auch, er arbeitet in der Marienhütte Groß-Auheim als Kaufmann.
Das Fahrrad war inzwischen von einem Kleinfahrzeug abgelöst worden, diesem folgten noch zwei Fahrzeuge in größerer Klasse. Jedesmal gab es 300 ccm mehr. Dieser vorsichtige Aufstieg im Hubraum bedeutet, daß man sparen muß. So beträgt der Gesamtwert der angeschafften Instrumente 5000 Mark. Dazu kommen die ständig notwendigen Reparaturkosten für die Instrumente. Ein Saxophon muß zum Beispiel alle 2 Jahre überholt werden. Das kostet jedesmal 150,00 DM. Ein Akkordeon frißt alle 2 bis 3 Jahre 400,00 DM an Reparaturkosten. Beim Schlagzeug "schwimmen einem die Felle weg". Dazu kommen die laufenden Kosten. Jecden Monat gibt man 20,-- bis 30,-- DM für Noten aus. Das Repertoire ist ständig erneuerungsbedürftig, weil es die "Kunden" so verlangen. Dann auch die Kleidung; immer schön gewaschen und gebügelt müssen die Matrosenanzüge sein. Das wollen auch die Kunden - und das Renommee. Seit kurzem ist ein vierter Mann dabei, ein Gitarrist aus Nieder-Issigheim, Gerd Bahr, Student an der technischen Hochschule Friedberg. Er ist gleichzeitig der Mechaniker für die komplizierte elektrische Verstärkeranlage.
Wollte man eine Bilanz aufstellen, käme kein großer Gewinn dabei heraus. Die vier sind eben echte Hobbyisten. Ehrensache, daß sie nebenbei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr-Kapelle Bruchköbel sind.
Und die Zukunftsmusik? Ostern fahren sie voraussichtlich mit den Handballern nach Österreich. Mitte Mai gehen sie mit der Feuerwehrkapelle zum Festival nach Varangeville. Ihr Streben wird sein, den Vereinen und sonstigen Auftraggebern musikalisch in jeder Hinsicht Rechnung zu tragen, was bisher wegen langfristiger Vorbestellungen nicht immer leicht war.
Woher kommt ihr Erfolg und ihrfe Beliebtheit? Sie sind stets freundlich und guter Dinge, sie können alt und jung etwas bieten. Um in Form zu bleiben, kennen sie einen besonderen Trick. Die Übungsstunde mußte in die Veranstaltungen verlegt werden, da ihr Akkordeonist aus beruflichen Gründen wochentags unterwegs war und ein gemeinsames Üben nicht möglich war. Neue Stücke werden daher zu vorgerückter Stunde gespielt, wenn niemand mehr richtig zuhört, und beim nächsten Male wird das Neue dann am Anfang gespielt. Das ist übrigens für Leute, die gut Noten lesen können, nicht besonders schwierig. Ihr Repertoire reicht vom ältesten bis zum neuesten Schlager.
Oftmals greifen sie auch selbst zu Hammer und Pinsel, wenn die Dekoration derf Lokale ihren Ansichten und Wünschen nicht entspricht. Eine Offenbacher Getränkefirma hat Ihnen das notwendige Material zur Verfügung gestellt, und so ist jetzt ein Standarddekor entstanden, mit südländischer Atmosphäre, vor dem die vier braven Matrosen unermüdlich zum Tanz aufspielen. (hl)
|